Wissenschaftlich interessiere ich mich insbesondere für die Neurophysiologie von Emotionen in der Psychotraumatologie und damit einhergehenden atemfokussierten und körperorientierten Achtsamkeitsmethoden, als ergänzende Methoden therapeutischer Arbeit. Traumatische Erlebnisse können mit Dissoziationen einhergehen. Manchmal wird durch Dissoziation die Erinnerung an ein Trauma unmöglich und macht sich auf somatischer Ebene, durch sogenannte Affekte, bemerkbar, da das Trauma im Gewebe gespeichert ist. Diese Affekte stellen den Versuch des Körpers der Traumaintegration da. Der Körper möchte damit ausdrücken, verletzt worden zu sein.
Traumaverarbeitende Gefühle stellen die Basis der Entwicklung eigener Geborgenheit und Selbstfürsorge dar.
Der bewusste Umgang mit unseren Emotionen hat elementare Bedeutung für ein verantwortungsvolles Miteinander. Erst das Wahrnehmen, Benennen und Verstehen eigener Emotionen befähigt zur Empathie.
Werden Emotionen verdrängt, nicht wahrgenommen, verstanden und verarbeitet, versuchen körperliche Reaktionen (Affekte) darauf aufmerksam zu machen. Der Mensch hat oft Angst vor den Affekten und reagiert reaktiv mit Vermeidung (z.B. durch Leistung, Sex, Essen), wodurch der Zugang zunehmend erschwert wird. Der Körper drückt nicht selten aus, was der Geist noch nicht verstanden oder erinnert hat.
Bei Konfrontation einer Gefahrensituation hat der Mensch die Möglichkeit zwischen Kampf, Flucht, Erstarren oder Unterwerfung zu reagieren, um das eigene Überleben zu sichern. Jedes Reaktionsmuster ist mit spezifischen neurophysiologischen Reaktionen assoziiert. Bei der Erstarrung (Immobilisation) wird der dorsale Vagusnerv des Parasympathikus aktiviert, der die Aktivität abschaltet. Folglich sinkt der Blutdruck und die Herzfrequenz verlangsamt sich. Der Erstarrungsreflex hat Auswirkungen auf die Muskeln (Verspannungen), Kreislauf (Reduktion), Wahrnehmung (Dissoziation), Atmung (Reduktion), Magen/Darm (Übelkeit). Wenn Gewebe Trauma erlebt, stellt es das Wachstum ein, die Verbindung zum Nervensystem ist unterbrochen; die fehlende Anbindung bleibt teilweise aus.
Entspannungsverfahren können dazu beitragen, dass der Muskeltonus herabgesetzt wird. Traumsensitives Yoga bietet eine Möglichkeit der Integration von Körper und Bewusstsein. Aufkommende Affekte können durch Atemübungen tolerierbar werden, so dass das Nervensystem resilienter wird. Die einstellende Selbstwirksamkeit kann Betroffenen Vertrauen und Selbstwert schenken.
“Manchmal benutzen wir unseren Geist nicht, um Tatsachen zu entdecken, sondern um sie zu verstecken. … Eines der Dinge, die der Schirm mit gutem Erfolg verhüllt, ist der Körper, unser eigener Körper, womit ich all das meine, was sich in seinem Inneren befindet. Wie ein Schleier, der über die Haut geworfen wird, um dem Schamgefühl Rechnung zu tragen, so entzieht der Schirm dem Geist den Zugriff auf die inneren Zustände des Körpers, die alltäglichen Lebensläufe.”
(Damasio)
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